Unser Redebeitrag vom 15.05.21 GEGEN JEDEN ANTISEMITISMUS

In diesem Jahr feiern wir 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Obwohl die Lebensgeschichten von Menschen jüdischen Glaubens seit unzähligen Generationen eng mit Europa und Deutschland verbunden sind, werden Jüdinnen und Juden weiterhin als „nicht zugehörig“ empfunden. Ja mehr noch: immer wieder wurden sie verfolgt, verleumdet und in Pogromen ermordet. 

Unter der NS-Terrorherrschaft wurden 6 Mio Jüdinnen und Juden systematisch vernichtet. Doch wer glaubte, dass durch diesen millionenfachen Mord der Antisemitismus endgültig diskreditiert sei, irrt. „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen“, so der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex. 

Wieviel Wahrheit in diesem Zitat steckt, zeigt sich in dem unter der Pandemie wieder erschreckend erstarkendem Antisemitismus. Im Jahr 2020 wurden 2275 antisemitische Straftaten gezählt und die Dunkelziffer muss um ein Vielfaches höher sein. Getreu dem alten Brunnenvergiftungs-Mythos, müssen auch aktuell Jüdinnen und Juden wieder als Schuldige, diesmal einer Pandemie herhalten. Die antisemitisch aufgeladenen Verschwörungserzählungen der Querdenken-und Co-Szene, die durch das Tragen von sogenannten Judensternen mit der Aufschrift „ungeimpft“, sowie unsägliche Anne-Frank-Vergleiche zu einer weiteren Relativierung des Holocaust beitragen, sind wesentlich mitverantwortlich für die zunehmende Enttabuisierung antisemitischer Denkmuster und daraus resultiernder Strafttaten.  

Die momentanen gewalttätigen Auseinandersetzungen im Nahen Osten werden als Begründung dafür missbraucht antisemitische Stereotypen  öffentlich zu kommunizieren und legitimieren vermeintlich die sich bahnbrechende Gewalt gegen jüdische Einrichtungen. Als hätten die Menschen hier die Politik im Nahen Osten zu verantworten….

Auch wird aktuell deutlich, wie der moderne Antisemitismus als vermeintliche „Israelkritik“ daherkommt. Die weltweite Obsession, während militärischer Konflikte einseitig mit dem Finger auf Israel zu zeigen und den Staat zu dämonisieren, wird dieser Tage besonders deutlich. Dafür wird sich leichtfertig mit einer Terrororganisation solidarisiert, welcher das Leben der palästinensischen Zivilbevölkerung schlicht egal ist. Hierdurch wird der Hamas  zur Rolle als global player verholfen, mit der Friedensverhandlungen zu führen seien.

Vergessen wird bei dieser Diskussion gerne, dass die Terrororganisation Hamas nicht an einer friedlichen Lösung interessiert ist. Die Hamas macht kein Geheimnis daraus, dass ihr oberstes Ziel die Vernichtung Israels und die Ermordung aller dort lebenden Jüdinnen und Juden ist. Ebenfalls profitiert die Hamas   von den gewalttätigen Auseinandersetzungen, weshalb sie aus machtpolitischem Kalkül die militärischen Gegenaktionen Israels bewusst provoziert.  Das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung nimmt die Hamas billigend in Kauf. Vergessen dürfen wir auch nicht, dass der Staat Israel unter einer dauerhaften existenziellen Bedrohung, z.B. durch iranische Langstreckenwaffen steht und auch nicht, dass arabische Israelis nach den israelischen Gesetzen gleichberechtigte Staatsbürger*innen sind, die in Israel umfassendere Rechte besitzen, als Palästinenser*innen in den umliegenden Staaten wie Libanon und Syrien. Gerne wird auch übersehen, das Israel über eine der wenigen Demokratien in dieser Region verfügt, während beispielsweise der türkische Despot Erdogan sich erdreistet, Israel  als „Terrorstaat“ zu bezeichnen, und damit von dem antidemokratischen Umbau im eigenen Land ablenken will. Stets mitzudenken gilt in dieser Diskussion, dass Jüdinnen und Juden im Nahen Osten ohne den Staat Israel dem Vernichtungswillen beinah aller umliegenden Staaten ausgesetzt sind. Israel gewährt Jüdinnen und Juden den größtmöglichen Schutz, garantiert Frauen und LGBTIQ-Rechte für Menschen jeglicher Ethnie und religiöser Zugehörigkeit.

Was hat die vermeintlich falsche Politik Israels mit den hier lebenden Jüdinnen und Juden zu tun? Warum entlädt sich gewalttätiger Antisemitismus auf unseren Straßen als Reaktion auf die Politik in einem weit entfernten Staat? Nach 1700 Jahren Jüdischen Lebens in Deutschland?

Dies ist kein „importierter Antisemitismus“, hier handelt es sich um  strukturellen, in Deutschland gängigen Antisemitismus! Wer nur den muslimischen Antisemitismus wahrnimmt, ignoriert konsequent Forschungs- und Umfrageergebnisse über Antisemitismus in Deutschland. Auch Teile der Linken relativieren Faschismus und israelbezogenen Antisemitismus, wenn es um Kritik an Israelischer Politik geht. Das ist einfach nur widerlich und ekelhaft! 

Jeder Mensch hat das Recht auf ein friedliches Leben in Sicherheit, Freiheit und Würde! Jeder Mensch! Ohne Ansehen von Identität und Zugehörigkeit! 

Wir stehen  an der Seite der jüdischen Gemeinde in Bochum und anderswo. Wir solidarisieren uns mit Jüdinnen und Juden die bedroht werden, wenn Synagogen angegriffen  werden, oder wenn  Hamas-Sympathisant*innen unter dem Deckmantel der „Israel-Kritik“ durch Bochum marschieren. 

Gegen jeden Antisemitismus!

Die Krise heißt Kapitalismus! Damals wie heute – lasst sie uns gemeinsam überwinden! Unser Redebeitrag zur Fahrraddemo am 2. Mai

Seit gut einem Jahr befindet sich unsere Gesellschaft im Ausnahmezustand.
Die der Covid-Epidemie geschuldeten Einschränkungen, jenseits der notwendigen hygienischen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit jeder und jedes Einzelnen,
führen zu stetig ansteigender individueller Isolation und somit zu einer Reduzierung aktiven solidarischen Handelns.
Die NRW-Regierung versucht die Beschneidung des Öffentlichen Lebens zu nutzen, um im Eiltempo und ohne große Öffentlichkeit ein neues Versammlungsgesetz durch die Institutionen zu bringen und zu etablieren.
Vordergründig soll dieser Gesetzesvorschlag entwickelt worden sein um Versammlungen und Aufmärsche von Neonazis zu erschweren, birgt aber -aufgrund der von deutschen Behörden angewandten Extremismustheorie- massive Bedenken dass durch seine Nutzung gerade antifaschistischer Protest und Aktionsformen weiterhin maßgeblich sanktioniert und kriminalisiert werden sollen.

Dies dürfen wir nicht hinnehmen und werden weiterhin neonazistische Machenschaften recherchieren, aufdecken, publizieren und dagegen vorgehen. In welchen Formen auch immer. Dazu wird auch zukünftig gehören dass wir gegen die Nazis auf die Straße gehen werden um zu verhindern dass sie den Öfentlichen Raum einnehmen.

Aber nicht nur die NRW-Landesregierung versucht in pandemischen Zeiten die Grundrechte zu beschneiden.
Vielmehr verschärften sich auch bereits existierende Diskriminierungs- und Ausbeutungsmechanismen.
Ein Großteil der Menschen konnte ins Homeoffice wechseln und von dort aus weiterarbeiten.
Andere, sogenannte systemrelevante Arbeitnehmer*innen müssen weiterhin draußen arbeiten und dies unter immer schlechter werdenden Bedingungen. Für
Logistikarbeiter*innen, Auslieferfahrer*innen, Verkäufer*innen, Menschen in der Care-Arbeit, Feldarbeit und Beschäftigte der Fleischindustrie haben sich die Arbeits- und somit auch Lebensbedingungen massiv verschlechtert.

Einige von ihnen schafften -auch unter Coronabedingungen- eine gemeinsame Solidarisierung und stiegen ein in den Kampf für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände.

Die Arbeitenden bei Amazon zum Beispiel vernetzten sich, Erntehelfer*innen streikten, Pflegepersonal machte die über alle Maßen belastenden Arbeitssituationen publik und mit Hilfe einiger Aktivist*innen wurde erstmalig auch über die Arbeitsverhältnisse in Werkstätten für sogenannte Behinderte diskutiert.

All diesen Kämpfen ist gemein: sie zeigen gleiche Merkmale der Unterdrückung auf, aber auch Möglichkeiten der Überwindung.

Arbeitende in der Logistikbranche haben zu einem Großteil einen migrantischen Hintergrund. Sie kämpfen, neben einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen auch gegen den ihnen entgegengebrachten Kulturalismus. Feldarbeitende und Arbeitende in der Fleischindustrie kommen häufig temporär begrenzt aus süd-ost-europäischen Ländern zur Arbeit nach Deutschland und sind hier massiven rassistischen Ressantiments ausgesetzt. Die Angestellten der Care-Arbeit werden zu einem hohen Anteil durch Frauen besetzt, die neben ihrem Arbeitskampf gegen ihre dreifache Ausbeutung und sexistische Stereotypen angehen müssen. Menschen in Behindertenwerkstätten werden sowohl wirtschaftlich ausgebeutet und stehen einer ganzen, behindertenfeindlichen Gesellschaft gegenüber.

Kämpfe für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen sind immer auch Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus, Ableismus und Klassismus und können auch identitäre Kämpfe inkludieren.

Lasst uns auch weiterhin solidarisch füreinander kämpfen. In den Unis, in den Schulen, an unseren Arbeitsplätzen, aber AUCH auf der Straße!
Gemeinsam!
Für eine Gesellschaft ohne Zwänge und Diskriminierung.
Für die freie Entfaltung eines jeden Individuums.

Für eine freie, solidarische Gesellschaft.
Für uns!